Die Geschwindigkeitsüberwachung im Straßenverkehr unterliegt zahlreichen Regelungen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes sicherstellen sollen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der Abstand zwischen dem Messgerät und dem Verkehrsschild, das die Geschwindigkeitsbeschränkung vorgibt. Dieser Abstand soll vor allem verhindern, dass Verkehrsteilnehmer zu plötzlichen Bremsmanövern gezwungen werden. In jedem der 16 Bundesländer existieren hierzu verwaltungsinterne Richtlinien, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen
Gesetzliche und verwaltungsinterne Vorgaben zu Mindestabständen
Die gesetzlichen Grundlagen der Geschwindigkeitsüberwachung stützen sich auf die allgemeinen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) sowie auf den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Artikel 3 Grundgesetz (GG). Die verwaltungsinternen Richtlinien der Bundesländer geben zusätzlich vor, wie die Messungen technisch und räumlich durchgeführt werden sollen. Diese Richtlinien gelten primär für die Verkehrsbehörden, können aber auch Auswirkungen auf die Rechtsposition des Bürgers haben.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Vorgaben betrifft den Mindestabstand zwischen dem Verkehrsschild, das die Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigt, und dem Ort der Geschwindigkeitsmessung. Ziel dieser Regelung ist es, sogenannte „Abbremsreflexe“ zu vermeiden, bei denen Autofahrer plötzlich und gefährlich abbremsen, sobald sie ein Verkehrsschild erkennen.
Ausnahmen sind jedoch möglich, insbesondere bei sogenannten Gefahrenstellen. Dazu zählen Abschnitte in der Nähe von Schulen, Kindergärten oder Fußgängerzonen, wo eine kürzere Entfernung zum Messgerät zugelassen werden kann.
Übersicht der Mindestabstände in den Bundesländern
Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die geltenden Mindestabstände zwischen Verkehrsschild und Geschwindigkeitsmessstelle in den 16 Bundesländern. Diese Abstände sind nicht gesetzlich festgelegt, sondern ergeben sich aus den verwaltungsinternen Vorgaben der jeweiligen Länder.
Bundesland | Mindestabstand |
---|---|
Berlin | 75 m vor und nach Verkehrsschildern, 150 m vor/ nach Ortsschildern |
Hessen | 100 m |
Rheinland-Pfalz | 100 m |
Sachsen-Anhalt | 100 m |
Mecklenburg-Vorpommern | 100 m, auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen 250 m |
Baden-Württemberg | 150 m |
Brandenburg | 150 m |
Bremen | 150 m |
Niedersachsen | 150 m |
Schleswig-Holstein | 150 m |
Sachsen | 150 m |
Bayern | 200 m |
Thüringen | 200 m |
Hamburg | Kein Mindestabstand vorgegeben |
Nordrhein-Westfalen | Kein Mindestabstand vorgegeben |
Saarland | Kein Mindestabstand vorgegeben |
In den Bundesländern ohne konkrete Vorgaben zum Mindestabstand (Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland) bedeutet dies jedoch nicht, dass dort willkürlich geblitzt werden darf. Vielmehr muss die Messung im Einzelfall gerechtfertigt sein.
Technische Aspekte der Geschwindigkeitsmessung – Sachverständigenperspektive
Der Abstand zwischen Verkehrsschild und Messgerät hat nicht nur rechtliche, sondern auch technische Implikationen. Im Rahmen von Bußgeldverfahren prüfen Sachverständige, ob die Abstände eingehalten wurden und ob die Positionierung der Messstelle verkehrstechnisch sinnvoll war. Hierbei sind die folgenden technischen Aspekte von besonderer Bedeutung.
Einfluss des Abstands auf das Fahrverhalten
- Plötzliches Bremsen: Wenn der Abstand zwischen dem Verkehrsschild und der Messstelle zu gering ist, kann dies dazu führen, dass Verkehrsteilnehmer zu abrupten Bremsmanövern gezwungen werden. Dies erhöht die Unfallgefahr, insbesondere auf stark befahrenen Straßen oder Autobahnen.
- Wahrnehmung der Verkehrsschilder: Studien zeigen, dass Verkehrsschilder rechtzeitig wahrgenommen werden müssen, um eine Anpassung der Geschwindigkeit ohne plötzliche Bremsvorgänge zu ermöglichen. Fahrer müssen in der Lage sein, ein Schild mit einem flüchtigen Blick zu erkennen und ihre Geschwindigkeit anzupassen, bevor sie die Messstelle erreichen.
- Eingewöhnungsphase für den Fahrer: Fahrer benötigen eine kurze Zeitspanne, um ihre Geschwindigkeit nach der Wahrnehmung eines neuen Verkehrsschilds anzupassen. Ein zu kurzer Abstand reicht in vielen Fällen nicht aus, damit der Fahrer seine Geschwindigkeit ohne Gefahr anpassen kann.
Auswirkungen auf die Verwertbarkeit der Messergebnisse
- Messung innerhalb des Anpassungsbereichs: Wenn die Messstelle zu nah am Verkehrsschild positioniert ist, besteht die Gefahr, dass Fahrer die Geschwindigkeit nicht rechtzeitig anpassen konnten. In solchen Fällen könnten die Messergebnisse rechtlich angefochten werden, da die Möglichkeit einer ausreichenden Reaktionszeit des Fahrers nicht gegeben war.
- Einzelfallprüfung: Sachverständige analysieren im Rahmen von Bußgeldbescheiden, ob der Abstand zwischen Verkehrsschild und Messstelle ausreichend war. Wenn der Mindestabstand unterschritten wurde, könnte dies die Verwertbarkeit der Messung in Frage stellen.
- Bremsvorgänge des Fahrzeugs: Bei bestimmten Messgerätetypen kann geprüft werden, ob das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Messung bereits abgebremst hat oder besser gesagt sich in einem Bremsvorgang befand.
Abweichungen von den Abstandsregeln – Ausnahmefälle
- Gefahrenstellen: An Gefahrenstellen (z. B. in der Nähe von Schulen, Kindergärten oder in Fußgängerzonen) können die Mindestabstände unterschritten werden. In diesen Fällen ist es zulässig, den Abstand zum Verkehrsschild zu verkürzen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
- Geschwindigkeitstrichter: In Bereichen, in denen schrittweise Geschwindigkeitsreduzierungen erfolgen, sind ebenfalls kürzere Abstände zulässig, da sich die Geschwindigkeit schrittweise anpasst.
- Erhöhung der Verkehrssicherheit: Wenn die Verkürzung des Abstands zur Messstelle nachweislich der Verkehrssicherheit dient, könnte die Positionierung der Messstelle näher am Verkehrsschild gerechtfertigt sein.
Die Einhaltung der Mindestabstände bei Geschwindigkeitsmessungen hat einen erheblichen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Messergebnisse. Wird der vorgeschriebene Abstand zwischen Verkehrsschild und Messstelle nicht eingehalten, kann dies die Grundlage für eine Anfechtung des Bußgeldbescheids sein. In vielen Fällen besteht die Möglichkeit, Bußgelder zu reduzieren oder das Verfahren vollständig einzustellen.
Als sachverständige Prüfstelle analysieren wir Messstellen und Abstände präzise und prüfen, ob die Vorgaben der Bundesländer eingehalten wurden. Insbesondere bei Geräten, die den Bremsvorgang eines Fahrzeugs erkennen können, eröffnen sich zusätzliche Ansätze zur Überprüfung der Messergebnisse.