Der Poliscan FM1 von Vitronic ist ein weit verbreitetes Messgerät zur Geschwindigkeitsüberwachung im Straßenverkehr. Es wird flexibel eingesetzt, beispielsweise auf einem Dreibeinstativ, in der City-Säule (auch bekannt als Blitzerturm) oder im Enforcement Trailer, einem speziellen Anhänger für mobile Geschwindigkeitskontrollen. In diesem Beitrag informieren wir Sie umfassend über das Messgerät und beleuchten, welche Dokumente und Daten für eine Prüfung erforderlich sind sowie welche potenziellen Fehlerquellen existieren.
Welche Dokumente und Daten werden für eine Prüfung bei Poliscan FM1 benötigt
Für eine gründliche Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Poliscan FM1 sind verschiedene Dokumente und Daten notwendig:
- Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid
- Konformitätsbescheinigung
- Konformitätserklärung
- Eichschein
- Messprotokoll
- Lebensakte des Messgerätes (Nachweise über Reparaturen und Wartungen)
- Schulungsnachweise der Beamten
- Multiplikatoren-Bescheinigung der Lehrgangsleiter
- Original Messfoto als TUFF-Datei
- Die gesamte Messreihe des Vorfalltags als TUFF-Dateien
- Token und PIN, um die TUFF-Dateien im TUFF-Viewer zu betrachten
- Nachweis/Dokumentation der Messstelle (z. B. Karte, Skizzierung oder Fotodokumentation der Messstelle)
- Beschilderungsplan
Diese Unterlagen sind essenziell, um die Korrektheit der Messung zu überprüfen und eventuelle Messfehler aufzudecken.
Fehlerquellen: Formelle Prüfung
Bei der Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung unterscheidet man zwischen formellen und technischen Fehlerquellen. Die formelle Prüfung ist entscheidend, um festzustellen, ob die Messung als standardisiertes Messverfahren anerkannt werden kann. Formelle Fehler lassen sich in der Regel durch eine detaillierte Aktenprüfung identifizieren. Hierfür sollten folgende Dokumente vorliegen:
Eichschein
Der Eichschein ist ein zentrales Dokument, das die ordnungsgemäße Eichung des Messgerätes Poliscan FM1 zum Zeitpunkt der Messung belegt. Die Eichung stellt sicher, dass das Gerät innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Toleranzen misst und keine technischen Fehler vorliegen, die das Messergebnis verfälschen könnten.
Zu prüfende Aspekte beim Eichschein:
- Gültigkeitsdatum der Eichung: Es ist zu überprüfen, ob die Eichung am Tag der Messung noch gültig war. Die Eichgültigkeit ist in der Regel auf dem Eichschein vermerkt und beträgt für Geschwindigkeitsmessgeräte meist ein Jahr.
- Übereinstimmung der Gerätedaten: Es sollte sichergestellt werden, dass die Seriennummer und die Typenbezeichnung auf dem Eichschein mit dem tatsächlich verwendeten Messgerät übereinstimmen. Abweichungen könnten auf ein falsches oder ungeeichtes Gerät hinweisen.
- Eichstempel und Plomben: Zusätzlich zum Eichschein sollten die Eichsiegel am Gerät unversehrt sein. Beschädigte oder fehlende Siegel können die Eichung ungültig machen.
- Dokumentation von Reparaturen: Wenn zwischen der letzten Eichung und der Messung Reparaturen oder Änderungen am Gerät vorgenommen wurden, muss das Gerät neu geeicht werden. Solche Eingriffe sind der Lebensakte zu entnehmen (siehe Punkt 3).
Wichtig: Der Eichschein allein ist nicht ausreichend. Es müssen auch die Angaben aus dem Messprotokoll und der Lebensakte berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass das Gerät seit der letzten Eichung nicht manipuliert oder verändert wurde.
Messprotokoll
Das Messprotokoll dokumentiert den Ablauf der Messung und bestätigt, dass alle erforderlichen Schritte gemäß den Vorgaben des Herstellers Vitronic und den Richtlinien der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) eingehalten wurden.
Wichtige Inhalte des Messprotokolls:
- Aufbau und Einrichtung des Messgerätes: Angaben zur korrekten Aufstellung des Gerätes, inklusive Ausrichtung und Kalibrierung.
- Überprüfung der Verkehrszeichen: Bestätigung, dass die geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen korrekt ausgeschildert und für Verkehrsteilnehmer sichtbar waren.
- Kontrolle der Sicherungsmarken und Eichsiegel: Dokumentation, dass alle Sicherungsmarken und Eichsiegel unbeschädigt und vorhanden sind.
- Umgebungsbedingungen: Angaben zu Wetterbedingungen, Sichtverhältnissen und Verkehrslage zum Zeitpunkt der Messung.
- Personalien der Messbeamten: Namen und Dienstnummern der verantwortlichen Beamten, inklusive ihrer Qualifikationen und Schulungsnachweise.
- Besondere Vorkommnisse: Notizen zu ungewöhnlichen Ereignissen während der Messung, wie z. B. Störungen oder Unterbrechungen.
Prüfungspunkte:
- Vollständigkeit: Es ist zu prüfen, ob das Messprotokoll vollständig ist und alle relevanten Felder ausgefüllt sind.
- Übereinstimmung mit Herstellervorgaben: Das Protokoll sollte den spezifischen Anforderungen entsprechen, die in der Gebrauchsanweisung des Poliscan FM1 festgelegt sind.
- Dokumentation der Inbetriebnahme: Es muss sichergestellt werden, dass alle Schritte zur Inbetriebnahme ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert wurden.
Hinweis: Eine unvollständige oder fehlerhafte Protokollierung kann die Messung ungültig machen und als Beweis untauglich werden lassen.
Lebensakte des Messgerätes (Nachweise über Reparaturen und Wartungen)
In diesem Beitrag wird der Begriff „Lebensakte“ bewusst verwendet, da er häufig von Anwälten und Sachverständigen genutzt wird. Viele Behörden versenden proaktiv Schreiben an Anwälte und Sachverständige, in denen sowohl eine Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) als auch eigene Erläuterungen enthalten sind, weshalb eine solche Akte weder geführt werden muss noch, dass eine sogenannte „Lebensakte“ existiert.
Da wir uns nicht an der Diskussion um die Begrifflichkeit beteiligen möchten, fordern wir stattdessen konkrete Nachweise über durchgeführte Wartungen oder Reparaturen. Sollten keine Nachweise vorliegen, da keine Wartungen oder Reparaturen durchgeführt wurden, bitten wir um eine entsprechende Bestätigung.
Zu prüfende Aspekte:
- Reparatur- und Wartungsnachweise: Es ist zu kontrollieren, ob Eingriffe am Gerät dokumentiert wurden und wenn ja, von wem und wann sie durchgeführt wurden.
- Auswirkungen auf die Eichung: Es muss festgestellt werden, ob die durchgeführten Arbeiten eine erneute Eichung erforderlich gemacht haben. Jede technische Änderung kann die Messgenauigkeit beeinflussen.
- Software-Updates: Es ist zu überprüfen, ob die Gerätesoftware aktualisiert wurde. Softwareänderungen können die Messalgorithmen beeinflussen und müssen daher genau dokumentiert sein.
- Regelmäßige Wartung: Es sollte festgestellt werden, ob das Gerät gemäß den Wartungsintervallen des Herstellers überprüft wurde.
Wichtig: Tatsächlich haben nicht alle Eingriffe zwangsläufig Auswirkungen auf die Messgenauigkeit, jedoch sind sie in bestimmten Fällen an formelle Anforderungen geknüpft, die berücksichtigt werden müssen.
Schulungsnachweise der Beamten
Der korrekte Betrieb des Poliscan FM1 erfordert spezialisierte Kenntnisse. Daher ist es vorgeschrieben, dass die Messbeamten eine gültige Schulung absolviert haben.
Details zur Schulung:
- Schulungsinhalte: Die Schulung sollte alle Aspekte der Bedienung und Auswertung des Messgerätes abdecken.
- Schulungsanbieter: Die Schulung muss entweder direkt vom Hersteller Vitronic oder von autorisierten Multiplikatoren durchgeführt worden sein.
Prüfung:
- Vorhandensein der Nachweise: Es muss sichergestellt werden, dass die Schulungszertifikate der Beamten vorliegen.
- Übereinstimmung der Namen: Es ist zu prüfen, ob die Namen auf den Schulungsnachweisen mit den im Messprotokoll angegebenen Beamten übereinstimmen.
- Umfang der Schulung: Es sollte festgestellt werden, ob sowohl die Bedienung des Gerätes als auch die Auswertung der Messdaten geschult wurden.
Hinweis: Ohne gültige Schulung der Beamten kann die korrekte Handhabung des Messgerätes nicht gewährleistet werden.
Multiplikatoren-Bescheinigung der Lehrgangsleiter
Wenn die Schulung nicht direkt durch den Hersteller erfolgte, muss nachgewiesen werden, dass der Lehrgangsleiter eine gültige Multiplikatoren-Bescheinigung besitzt.
Was ist ein Multiplikator?
- Definition: Multiplikatoren sind Personen oder Institutionen, die vom Hersteller autorisiert wurden, Schulungen für das Messgerät durchzuführen.
- Berechtigung: Die Bescheinigung bestätigt, dass der Lehrgangsleiter die Kompetenz hat, Beamte im Umgang mit dem Poliscan FM1 zu schulen.
Prüfung:
- Aussteller der Bescheinigung: Es muss sichergestellt werden, dass die Bescheinigung tatsächlich vom Hersteller Vitronic ausgestellt wurde.
- Umfang der Autorisierung: Es ist zu kontrollieren, ob die Autorisierung alle relevanten Schulungsinhalte abdeckt.
Wichtig: Fehlt dieser Nachweis, ist die Schulung möglicherweise ungültig, was die Rechtmäßigkeit der Messung beeinträchtigen kann.
Nachweis / Dokumentation der Messstelle
Eine ausführliche Dokumentation der Messstelle ist unerlässlich, um die Bedingungen der Messung nachvollziehen zu können.
Bestandteile der Dokumentation:
- Kartenmaterial: Zeigt die geografische Lage der Messstelle und deren Umgebung.
- Skizzen: Veranschaulichen die genaue Position des Messgerätes, Fahrspuren, Verkehrszeichen und andere relevante Objekte.
- Fotodokumentation: Liefert visuelle Eindrücke von der Messstelle, den Sichtverhältnissen und der Beschilderung.
Zweck der Dokumentation:
- Überprüfung der Aufstellung: Ermöglicht die Beurteilung, ob das Messgerät korrekt platziert wurde.
- Identifizierung von Fehlerquellen: Potenzielle Hindernisse oder Reflektionen, die das Messergebnis beeinflussen könnten, können erkannt werden.
- Verkehrsbedingungen: Protokollierung über die Verkehrssituation zum Zeitpunkt der Messung, z. B. Baustellen oder temporäre Verkehrszeichen.
Prüfung:
- Vollständigkeit: Es ist sicherzustellen, dass alle notwendigen Dokumente vorliegen.
- Aktualität: Die Dokumente sollten dem Zustand der Messstelle zum Zeitpunkt der Messung entsprechen.
- Konsistenz: Es ist zu überprüfen, ob die Angaben in den verschiedenen Dokumenten übereinstimmen.
Beschilderungsplan
Der Beschilderungsplan ist ein Dokument, das die Anordnung aller relevanten Verkehrszeichen im Bereich der Messstelle darstellt.
Wichtigkeit des Beschilderungsplans:
- Rechtsgültigkeit der Messung: Die Geschwindigkeitsbegrenzung muss für den Verkehrsteilnehmer eindeutig erkennbar und rechtlich wirksam sein.
- Mindestabstände: In einigen Bundesländern gibt es Vorschriften über Mindestabstände zwischen Verkehrszeichen und Messstellen, um den Fahrern ausreichende Reaktionszeit zu geben.
Inhalte des Beschilderungsplans:
- Position der Verkehrszeichen: Exakte Angaben, wo Geschwindigkeitsbegrenzungen und andere relevante Schilder aufgestellt sind.
- Art der Verkehrszeichen: Details zu den spezifischen Schildern (z. B. Tempo-30-Zone, Überholverbot).
- Zusatzinformationen: Hinweise auf temporäre Schilder aufgrund von Baustellen oder Veranstaltungen.
Prüfung:
- Einhaltung gesetzlicher Vorgaben: Es ist zu überprüfen, ob die Abstände und Positionen mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmen.
- Sichtbarkeit und Zustand der Schilder: Es muss festgestellt werden, ob die Schilder zum Zeitpunkt der Messung sichtbar und nicht verdeckt oder beschädigt waren.
- Dokumentation von Änderungen: Falls es vor der Messung Änderungen an der Beschilderung gab, sollten diese dokumentiert sein.
Hinweis: Fehler oder Unklarheiten im Beschilderungsplan können dazu führen, dass die Messung angefochten werden kann.
Die sorgfältige Prüfung dieser Punkte ist entscheidend, um die Rechtmäßigkeit und Genauigkeit einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Poliscan FM1 sicherzustellen. Unvollständige oder fehlerhafte Dokumentationen können erhebliche Auswirkungen auf die Verwertbarkeit der Messung haben. Es ist daher ratsam, im Falle eines Bußgeldbescheids diese Unterlagen anzufordern und gegebenenfalls durch einen spezialisierten Anwalt oder Sachverständigen prüfen zu lassen.
Fehlerquellen: Technische Prüfung
Die technische Prüfung dient ebenfalls der Feststellung eines standardisierten Messverfahrens, richtet sich jedoch hauptsächlich auf die Plausibilitätsprüfung sowie die Rekonstruktion und Verifizierung der Geschwindigkeit. Anders als bei Messgeräten mit Videobeweisen liegt hier nur ein statisches Bild vor, was die Rekonstruktion der Messgeschwindigkeit allein nicht ermöglicht.
Für die technische Prüfung bei dem Messgerät Poliscan FM1 sind folgende Daten notwendig:
- Original Messfoto im Herstellerformat (TUFF-Datei)
- Gesamte Messreihe im Herstellerformat (TUFF-Datei)
- Die (Roh-)Messwerte, bei diesem Gerät auch als XML-Datei bekannt
Messfoto bzw. die Falldatei im TUFF-Viewer
Das Messfoto (TUFF-Datei) oder die Falldatei des betroffenen Fahrzeugs wird mit dem TUFF-Viewer geöffnet. Die signierten, verschlüsselten Daten dürfen nur mit Hilfe des von der Konformitätsbewertungsstelle zertifizierten Bildbetrachtungsprogramms entschlüsselt und auf Authentizität geprüft werden. Der POLISCAN TUFF-Viewer (aktuelle Version 3.58.5) wird von der Firma Vitronic bereitgestellt.
Prüfpunkte:
- Wasserzeichen: Ist ein gültiges Wasserzeichen vorhanden?
- Signatur: Enthält das Messfoto eine gültige Signatur?
- Verschlüsselung: Ist das Messfoto verschlüsselt?
In der Software werden nach dem Öffnen drei Symbole eingeblendet (Wasserzeichen, Feder und Schlüssel). Fehlt eines dieser Zeichen oder ist es durchgestrichen, ist die Falldatei ungültig und kann nicht als Beweismittel verwendet werden.
Unsere Erfahrungen:
Obwohl es selten vorkommt, gab es Fälle, in denen Wasserzeichen oder Signatur fehlten oder die Verschlüsselung nicht vorhanden war.
Prüfung der Plausibilität der Messung
Mit dem TUFF-Viewer kann die sogenannte Auswertehilfe oder der Auswerterahmen eingeblendet werden. Dies ermöglicht die Überprüfung, welches Fahrzeug erfasst wurde. Laut Hersteller kann das Poliscan FM1 auch mehrere Verstöße auf verschiedenen Fahrbahnen gleichzeitig erfassen.
Kriterien für eine plausible Auswertung:
- Position des Auswerterahmens: Muss sich vor dem Fahrzeug befinden; Kennzeichen und Teile des Reifens sollten innerhalb des Rahmens sein.
- Höhe des Auswerterahmens: Sollte etwa 70 % über Fahrbahnniveau liegen.
- Unterkante des Auswerterahmens: Muss unterhalb der Radaufstandspunkte liegen.
Die Falldatei sollte verworfen werden, wenn:
- Bei einer Frontmessung innerhalb der Auswertehilfe weder ein Vorderrad noch das Kennzeichen zumindest teilweise enthalten sind.
- Bei einer Heckmessung innerhalb der Auswertehilfe weder ein Hinterrad noch das Kennzeichen zumindest teilweise enthalten sind.
- Teile anderer Verkehrsteilnehmer in gleicher Fahrtrichtung auf derselben oder einer benachbarten Fahrspur innerhalb der Auswertehilfe zu erkennen sind.
- Die Unterseite der Auswertehilfe nicht unterhalb der Räder liegt.
Wichtig: Da die automatische Bestimmung der Fahrzeugklasse (Pkw/Lkw) nicht immer verlässlich ist, muss die auswertende Person sicherstellen, dass die Daten tatsächlich für das abgebildete Fahrzeug gelten, insbesondere wenn unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten gelten.
Unsere Erfahrungen:
In den meisten Fällen konnte nachgewiesen werden, dass der Auswerterahmen eine plausible Position aufweist. Es ist jedoch zu beachten, dass der Auswerterahmen nicht direkt mit der Messwertbildung zusammenhängt. Seine Projektion dient der Zuordnung des Messwertes, um sicherzustellen, dass der Verstoß dem richtigen Fahrzeug zugeordnet wird.
Auswertung der Messreihe
Idealerweise stellt die Behörde die gesamte Messreihe zur Verfügung. Bei mobilen Messverfahren ist dies von der ersten bis zur letzten Messung sinnvoll. Bei stationären Geräten ist dies weniger üblich, da diese kontinuierlich messen.
Zweck der Auswertung:
- Überprüfung auf Abweichungen oder Auffälligkeiten
- Feststellen fehlender Aufnahmen oder Unregelmäßigkeiten bei der Dateneinblendung
- Erkennen einer hohen Anzahl verworfener Messungen
- Identifizieren von Standortveränderungen des Messgerätes
- Auffälligkeiten bei den Positionen der Fahrzeuge zur Fotolinie
- Häufiges Auftreten unsinniger Messergebnisse
Unsere Erfahrungen:
Viele Behörden stellen die gesamte Messreihe nicht zur Verfügung. In solchen Fällen kann über den Anwalt beim Gericht die Herausgabe angefordert werden. In den meisten Fällen konnten wir jedoch keine Anomalien oder Auffälligkeiten feststellen.
Auswertung der Messwerte (Rohmesswerte) oder auch XML-Datei
Die Rohmesswerte sind essenziell, um die tatsächliche Geschwindigkeit des Fahrzeugs nachträglich rekonstruieren zu können. Beim Poliscan FM1 können diese Messwerte zwar mithilfe des TUFF-Viewers aus der Falldatei extrahiert werden, jedoch sind die erforderlichen Daten nicht vollständig. Daher ist eine Rekonstruktion der Messgeschwindigkeit bei diesem Messgerät unmöglich.
Aus den XML-Daten ergeben sich folgende relevante Informationen:
- Erfassungsbereich (detectionRange):
- Erste und letzte Erfassung des Fahrzeugs mit exakten Zeitstempeln und Positionsdaten
- Messbereich (measuringRange):
- Beginn und Ende der Geschwindigkeitsmessung mit Zeitstempeln und Positionen
- Anzahl der Messungen
- Geschwindigkeitsüberschreitung (causeSpeeding):
- Geschwindigkeitsbegrenzungen für Pkw und Lkw
- Gemessene Geschwindigkeit und Auslösegeschwindigkeit
- Fotoposition (vehiclePosition):
- Zeitstempel und Positionsdaten der Fotoposition
Auffäligkeiten bei der Auswertung:
- Zeitstempel-Problematik: Die Zeitstempel für die erste und letzte Messposition sind immer identisch, was technisch nicht plausibel ist.
- Rekonstruktion der Geschwindigkeit: Ohne korrekte Zeitangaben in den Zeitstempeln ist eine exakte Nachberechnung der tatsächlichen Geschwindigkeit nicht möglich.
- Verifizierung der Messung: Es ist nicht zu überprüfen, wie das Messgerät den Messwert errechnet hat.
Erkenntnisse: Aufgrund dieser bereits bekannten Anomalie in der Speicherung der Rohmesswerte sollte eine Messung mit dem Poliscan FM1 als nicht zulässig angesehen werden. Betroffene haben keine Möglichkeit, unabhängig zu überprüfen, wie die Geschwindigkeit errechnet wurde und wie hoch die tatsächliche Geschwindigkeit zum Zeitpunkt der Fotoauslösung war. Diese Einschränkung beeinträchtigt das Recht auf eine effektive Verteidigung, da die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Messung nicht gegeben ist.
Diese Problematik wurde in verschiedenen Gerichtsurteilen aufgegriffen, in denen Gerichte zugunsten der Betroffenen entschieden haben:
- Verfassungsgerichtshof des Saarlandes
Urteil vom 5. Juli 2019
Aktenzeichen: Lv 7/17
Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes entschied, dass Betroffene das Recht auf Zugang zu den vollständigen Messdaten haben, einschließlich der Rohmesswerte. Ohne diese Möglichkeit sei das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 20 Absatz 3 GG und Artikel 6 Absatz 1 EMRK verletzt. - Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss vom 26. Februar 2020
Aktenzeichen: 3 OWi 6 SsBs 258/19
Das Gericht stellte fest, dass die Verweigerung der Herausgabe von Rohmessdaten die Verteidigungsrechte des Betroffenen einschränkt und somit die Verwertbarkeit der Messung infrage stellt. - Amtsgericht Neunkirchen
Urteil vom 14. Januar 2020
Aktenzeichen: 19 OWi 883/19
Das Gericht sprach den Betroffenen frei, da die Messung mit dem Poliscan FM1 aufgrund fehlender Rohmessdaten nicht nachvollziehbar und damit nicht verwertbar war.
Diese Urteile unterstreichen die Bedeutung vollständiger und transparenter Messdaten für die Rechtmäßigkeit von Geschwindigkeitsmessungen und die Möglichkeit einer effektiven Verteidigung. Ohne Zugriff auf die Rohmesswerte können Betroffene die Messung nicht überprüfen, was gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt.
Alternative Möglichkeiten zur Rekonstruktion der Geschwindigkeit
Obwohl die fehlenden Rohmessdaten beim Poliscan FM1 eine nachträgliche Überprüfung der Geschwindigkeit erschweren, gibt es theoretisch alternative Methoden, um die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs anhand eines statischen Bildes zu rekonstruieren. Dazu zählen insbesondere der Smear-Effektund die Bewegungsunschärfe (Motion Blur). Diese Methoden sind jedoch in ihrer Anwendung komplex und anfällig für Ungenauigkeiten, weshalb sie in der Praxis nicht empfohlen werden.
Smear-Effekt
Der Smear-Effekt tritt bei digitalen Kameras auf, wenn sich ein Objekt während der Aufnahme schnell bewegt und dadurch auf dem Bildsensor einen Streifen erzeugt. Dieser Effekt entsteht aufgrund der Funktionsweise des CCD-Sensors (Charge-Coupled Device), bei dem die Ladungen zeilenweise ausgelesen werden.
Berechnung der Geschwindigkeit mittels Smear-Effekt:
- Analyse des Streifens: Der durch den Smear-Effekt verursachte Streifen wird vermessen.
- Bekannte Kameraeigenschaften: Für die Berechnung müssen die technischen Daten der Kamera bekannt sein, insbesondere die Auslesezeit des Sensors und die Pixelgröße.
- Formel: Die Geschwindigkeit kann berechnet werden durch das Verhältnis der Länge des Streifens zur Auslesezeit, angepasst an die Maßstäbe der Aufnahme.
Voraussetzungen und Herausforderungen:
- Exakte Kameradaten: Ohne genaue Kenntnisse über die technischen Spezifikationen der Kamera ist eine Berechnung nicht möglich.
- Günstige Bedingungen: Der Smear-Effekt tritt nur unter bestimmten Bedingungen auf, z. B. bei hoher Geschwindigkeit und ausreichender Beleuchtung.
- Messungenauigkeiten: Kleine Abweichungen in der Vermessung können zu großen Fehlern in der Geschwindigkeitsbestimmung führen.
Bewertung der Methoden
Obwohl diese alternative Methode theoretisch zur Geschwindigkeitsbestimmung herangezogen werden kann, ist sie in der Praxis mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die erforderlichen Bedingungen sind oft nicht erfüllt, und die Genauigkeit der Berechnung ist fraglich.
- Unzuverlässigkeit: Die Methode ist anfällig für Fehler und bietet keine verlässlichen Ergebnisse.
- Fehlende Daten: Notwendige technische Daten der Kamera sind häufig nicht verfügbar.
- Rechtliche Akzeptanz: Gerichte erkennen diese Methode in der Regel nicht als ausreichenden Beweis für eine Geschwindigkeitsberechnung an.
Aus diesen Gründen wird diese Methode aus unserer Sicht nicht empfohlen und auch nicht von uns angewendet. Die Feststellung der Geschwindigkeit sollte auf standardisierten und rechtlich anerkannten Messverfahren basieren, die eine vollständige Überprüfbarkeit gewährleisten.
Fazit
Die Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Poliscan FM1 erfordert eine gründliche Analyse sowohl der formellen als auch der technischen Aspekte. Fehlende Dokumente oder Daten können die Validierung der Messung erheblich erschweren. Es ist daher wichtig, dass alle erforderlichen Unterlagen vorliegen und die Messung nach den Vorgaben des Herstellers und der PTB durchgeführt wurde. Bei Zweifeln oder Unklarheiten empfiehlt es sich, einen spezialisierten Anwalt oder Sachverständigen hinzuzuziehen. Sehen Sie hier ähnliche Erkenntnisse bei dem Messgerät TraffiStar S350.