Was ist ein standardisiertes Messverfahren?

von | Okt. 4, 2024 | Verkehrsmesstechnik

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Ein standardisiertes Messverfahren ist ein technisches Verfahren, das auf klar definierten Normen und wissenschaftlichen Prinzipien basiert. Es wird eingesetzt, um Messungen unter wiederholbaren und vergleichbaren Bedingungen durchzuführen, sodass Ergebnisse zuverlässig, konsistent und rechtsverbindlich sind. Diese Verfahren finden insbesondere in der Verkehrsüberwachung breite Anwendung, da hier Präzision und Nachvollziehbarkeit entscheidend sind. Geschwindigkeitsmessungen, Abstandsüberwachungen und die Rotlichtüberwachung basieren in der Regel auf solchen standardisierten Messverfahren.

Im Folgenden beleuchten wir nicht nur die technischen Grundlagen dieser Verfahren, sondern auch die rechtliche Dimension, bekannte Gerichtsentscheidungen, die Rolle von Sachverständigen sowie die Vorteile und Herausforderungen bei der Überprüfung solcher Messungen.

Definition und Grundlagen „Standardisiertes Messverfahren“

Ein standardisiertes Messverfahren ist so konzipiert, dass unter gleichen Bedingungen immer die gleichen Ergebnisse erzielt werden. Dies ist besonders wichtig, um die Messungen reproduzierbar und damit vor Gericht belastbar zu machen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Begriff des standardisierten Messverfahrens erstmals in einem Urteil von 1993 geprägt​. Es handelt sich um ein Verfahren, das durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bedienungsanleitung des Herstellers durchgeführt wird.

Eine zentrale Rolle spielen dabei Toleranzwerte, die festgelegt wurden, um systembedingte Messabweichungen zu berücksichtigen. Solche Messungen entlasten die Gerichte von einer intensiven Überprüfung, es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte für Messfehler​.

Technische Anwendungsgebiete

Standardisierte Messverfahren finden in der Verkehrsüberwachung breiten Einsatz. Hier einige der wichtigsten Anwendungen:

  • Geschwindigkeitsmessung: Radar-, Laser- und Lichtschrankenmessungen werden häufig eingesetzt. Die Genauigkeit dieser Messungen wird durch regelmäßige Eichungen und die Einhaltung strenger Vorschriften sichergestellt​.
  • Abstandsmessung: Mithilfe von Lasersystemen oder Radargeräten können die Abstände zwischen Fahrzeugen erfasst werden. Auch hier gelten strenge Standards, um rechtlich anerkannte Ergebnisse zu liefern​.
  • Rotlichtüberwachung: Kamerabasierte Systeme, oft in Kombination mit Induktionsschleifen, erfassen Rotlichtverstöße. Diese Systeme müssen den technischen Anforderungen genügen und von der PTB zugelassen sein​.

Rechtliche Bedeutung und bekannte Urteile

Standardisierte Messverfahren haben nicht nur technische, sondern auch erhebliche rechtliche Implikationen. Vor allem in Bußgeldverfahren wird oft die Frage aufgeworfen, ob eine Messung korrekt durchgeführt wurde. Dabei entlasten standardisierte Verfahren die Gerichte, da sie keine umfangreichen Beweiserhebungen zu den technischen Details der Messung vornehmen müssen, solange keine Zweifel an der Messung bestehen​.

Bekannte Urteile

Es gibt einige Urteile, bei denen die Messergebnisse aufgrund von Fehlern oder Unklarheiten bei der Anwendung des Messverfahrens angefochten wurden.

  1. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 (2 BvR 1616/18): In diesem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging es um die Frage, ob ein Betroffener Einsicht in Rohmessdaten und andere nicht in der Bußgeldakte enthaltene Informationen erhalten muss. Der Beschluss stärkte die Verteidigungsrechte der Betroffenen, indem er feststellte, dass der Zugang zu diesen Daten für eine faire Verteidigung notwendig sein kann. Wenn konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit einer Messung vorliegen, müssen Gerichte diese Informationen zur Verfügung stellen, damit der Betroffene die Richtigkeit der Messung überprüfen kann. Diese Entscheidung hat die Rolle des Zugangsrechts zu Messunterlagen im Rahmen standardisierter Messverfahren erheblich gestärkt ​(Federal Constitutional Court).
  2. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 1. Dezember 2021 (1 OWi 2 SsBs 100/21): In diesem Fall stellte das Oberlandesgericht Zweibrücken fest, dass die fehlende Speicherung von Rohmessdaten nicht zwangsläufig zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses führt. Der Betroffene hatte argumentiert, dass er durch die fehlende Speicherung wichtiger Messdaten (wie Zeitstempel) nicht in der Lage sei, die Richtigkeit des Messwertes zu überprüfen. Das Gericht entschied jedoch, dass die Verwertung der Messung auch ohne diese Daten zulässig sei, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen ​(Burhoff).
  3. OLG Koblenz, Urteil vom 8. Juni 2018 (1 OWi 6 SsBs 11/18): In diesem Fall wurde eine Messung mit dem Gerät ES 3.0 angefochten. Der Betroffene hatte argumentiert, dass LED-Tagfahrlichter das Messergebnis verfälscht hätten. Das Gericht wies die Argumente zurück und stellte fest, dass das Messverfahren auch bei Fahrzeugen mit LED-Leuchten als standardisiert gilt und keine Verfälschung der Messung festgestellt wurde ​(IWW Institut | ).
  4. Verfassungsgerichtshof Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17): Hier entschied der Verfassungsgerichtshof Saarland, dass Messungen mit dem Gerät LEIVTEC XV 3 grundsätzlich als standardisiertes Verfahren anerkannt werden. Es wurde jedoch betont, dass bei jeder Messung eine genaue Einhaltung der Bedienungsanleitung und die Sicherung der Rohmessdaten erforderlich ist, um die Ergebnisse bei Bedarf nachprüfbar zu machen ​(IWW Institut | ).

Diese Urteile zeigen, dass selbst bei standardisierten Messverfahren Messfehler oder Bedienungsfehler zu Ungunsten des Betroffenen führen können, und dass die Gerichte in solchen Fällen gezwungen sind, die Messungen genauer zu überprüfen.

Rolle des Sachverständigen in der Verkehrsmesstechnik

Sachverständige spielen in der Überprüfung von Messverfahren eine zentrale Rolle. Sie können von Gerichten hinzugezogen werden, um die Korrektheit einer Messung zu beurteilen oder Zweifel an einem Messergebnis auszuräumen.

Vorteile der Prüfung durch einen Sachverständigen

  • Technisches Verständnis: Sachverständige verfügen über umfassendes Wissen in der Verkehrsmesstechnik und können detailliert erklären, wie die verwendeten Geräte funktionieren und wo mögliche Fehlerquellen liegen.
  • Unabhängige Überprüfung: Durch die Einschaltung eines Sachverständigen kann eine neutrale und unabhängige Überprüfung der Messergebnisse erfolgen. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit der Messung vor Gericht.
  • Fehlerquellen identifizieren: Sachverständige können überprüfen, ob das Messgerät ordnungsgemäß verwendet wurde und ob die Bedienungsvorschriften des Herstellers eingehalten wurden. Sie können auch feststellen, ob externe Einflüsse wie Wetterbedingungen oder technische Störungen das Messergebnis verfälscht haben​.

In einigen Fällen haben Sachverständige nachweisen können, dass eine Messung aufgrund eines technischen Defekts oder einer falschen Handhabung ungenau war. Dadurch konnte das Gericht das Messergebnis als unzuverlässig einstufen, was dem Betroffenen half, eine drohende Strafe abzuwenden​(.

Herausforderungen bei der Anwendung standardisierter Messverfahren

Trotz ihrer Vorteile gibt es auch Herausforderungen bei der Anwendung standardisierter Messverfahren. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, sicherzustellen, dass die Messgeräte regelmäßig geprüft und kalibriert werden. Zudem müssen die Bediener der Geräte sicherstellen, dass die Messung exakt nach den Vorgaben durchgeführt wird, da Abweichungen von der vorgeschriebenen Vorgehensweise zu fehlerhaften Messungen führen können​.

Ein weiteres Problem liegt in der technischen Komplexität der verwendeten Messgeräte. Selbst kleinste Abweichungen in der Aufstellung oder Handhabung der Geräte können das Messergebnis beeinflussen. Diese Fehler sind für Laien oft schwer zu erkennen, was die Bedeutung von Sachverständigen bei der Überprüfung der Messungen unterstreicht​(.

Fazit

Standardisierte Messverfahren sind ein wesentlicher Bestandteil der Verkehrsüberwachung und bieten eine zuverlässige Grundlage für die Erfassung von Verkehrsverstößen. Sie sind technisch anspruchsvoll und rechtlich hoch relevant, da sie die Grundlage für viele Bußgeldverfahren bilden. Gerichte stützen sich in der Regel auf die Ergebnisse solcher Verfahren, solange keine Anhaltspunkte für Fehler vorliegen.

Die Einschaltung von Sachverständigen kann jedoch entscheidend sein, um Messfehler zu identifizieren und zu prüfen, ob die verwendeten Verfahren korrekt angewendet wurden. Letztlich tragen standardisierte Messverfahren durch ihre Genauigkeit und Verlässlichkeit wesentlich zur Verkehrssicherheit bei.

Individuelle Fallprüfung und Gutachtenerstellung

Sie sind als Anwalt oder Anwältin für einen Mandanten tätig, dem eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder ein Unterschreiten des Mindestabstands vorgeworfen wird? Oder sind Sie selbst betroffen und möchten wissen, ob die Messung korrekt durchgeführt wurde?

In solchen Fällen ist eine Überprüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen ratsam. Eine detaillierte Analyse kann mögliche Messfehler aufdecken oder prüfen, ob der vorgeworfene Geschwindigkeitswert bzw. Abstandswert technisch belegbar ist.

Wir bieten eine fundierte Fallprüfung, um die Plausibilität der behördlichen Messung zu bewerten. Insbesondere wenn ein Fahrverbot oder Punkte in Flensburg drohen, sollte die Möglichkeiten einer fachgerechten Überprüfung in Betracht gezogen werden.

In der Regel wird unsere Arbeit durch die Rechtsschutzversicherung übernommen. Kontaktieren Sie uns gerne für eine individuelle Beratung und technische Prüfung Ihres Falls:

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M.Sc. Caner Aygün

M.Sc. Caner Aygün
Ingenieur und Sachverständiger für Verkehrsmesstechnik
Seit meiner Studienzeit beschäftige ich mich intensiv mit Messmethoden und -verfahren. Seit 2022 bin ich als Sachverständiger für Verkehrsmesstechnik tätig und erstelle Gutachten für Anwälte und Gerichte.

 

M.Sc. Caner Aygün

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